„Weil das Vorstellen eine Willenshandlung ist, unterrichtet es uns eben nicht über die Außenwelt. Das Vorgestellte ist nicht im gleichen Raum wie das Gesehene.“ L. Wittgenstein

o.T.


o.T. / Wachteleier - Schalen auf Seidenbustier/ 2022 / 20 x 65 cm 

Rosenkavalier*in

In hermetischer Strenge erscheint der einzig mit einem bieder-meierlich anmutenden Vatermörder dekorierte Torso. Buchstäblich kopflos und unbewegt verweist er auf die gleichnamige, seinerzeit noch Gendersternchen-freie Oper und reminisziert insonderheit Octavians Metamorphose zur Kammerzofe. Blumen werden hier keine überreicht. Die in hemdsärmeligen Damenstrümpfen aufgegangenen Rosenblüten versickern wie schwerblütige Erinnerungen in der Innerlichkeit des Subjekts und verleihen der Figur - ihrer eigentlichen Kopflosigkeit zum Trotz - etwas Träumerisches, um nicht zu sagen Lebendiges. Wovon sie aber wirklich träumt, ob hier Gender- Debatten formalisiert und begrifflich fixiert, ödipale Konfliktpotenziale geschlechtsreferentiell erweitert oder vielmehr tiefempfundene Trennungsschmerzen manifest werden, bleibt letztlich ihr Geheimnis und dem Denkenden ein nicht vollständig auflösbares Rätsel. 


Rosenkavalier*in / Schneiderbüste, Damenstrümpfe, Rosenblüten, Stecknadeln, Vatermörder-Kragen / 2022 / 85 x 40 cm 

verbandelt


verbandelt / Strumpfhalter, Mullbinde, Hutständer / 2019 / 30 x 60 cm 

Prima Ballerina

Ein Paar übermäßig langer, verzerrter Beine, in Reizwäsche gekleidet, steht, obwohl gegen die Wand gelehnt, auf Zehenspitzen auf einem Glaspodest. Dieser deformierte Unterkörper scheint auszuharren, wobei die Glasscheibe für diese Art von Zerbrechlichkeit bewahrend oder riskant sein mag. Der Betrachter wird Zeuge einer uralten Kontraposition, eines Kampfes zwischen einer zwingenden Instanz und einem beschädigtem aber noch vorhandenen Willen. 
In den rötlich unterlaufenen Füssen erfährt dieser Kampf seinen Höhepunkt: Das gesteuerte Model, die erschöpfte Ballerina, der zerbrochene Mensch scheint, bei aller Schwäche und entgegen der einen Dimension, die offenbar waltet, noch immer für seine biologische, geschlechtliche und soziale Bestimmung zu kämpfen.


Prima Ballerina / Gips, Papier, Damenstrümpfe, Strumpfhalter, Pigmente, Glassockel / 2021 / 125 x 35 cm

Laufmasche


Laufmasche / Militärstiefel, Damenstrümpfe, Strumpfhalter, Lippenstift / 2021 / 42 x 25 x 27 cm 

o.T.


o.T. / Leinentuch, schwarze Herren - Hosenträger, Damen - BH / 2021 / 150 x 45 cm 

Vergissmeinnicht

Nahezu beiläufig scheint der verkleidete Knüppel, aus dem die Installation „Vergissmeinnicht“ besteht, an eine Wand gelehnt worden zu sein. Bei näherem Hinsehen erkennt man den fein aufgetragenen Titel des Werkes, dem – erneut – eine tiefe Widersprüchlichkeit innewohnt: Ein mit Verband behutsam umwickelter und darüber mit Süßwasserperlen bestickter Schläger lässt den Betrachter über die Natur dieser Installation rätseln: Abgestellter Holzstock, dessen Spuren der Verwundung durch den Verband und die Perlen verdeckt, geheilt oder sublimiert werden, oder gar selbst Wesen oder Unwesen, das sich unaufhörlich fragt, wo seine Verletzbarkeit liegt? Oder hindern Tränen und Verband eine Urgewalt an ihrem naturgemäßen Handeln? Beinahe unbemerkt wickelt sich vor unseren Augen ein stiller, jedoch grundsätzlicher Prozess ab, dem eine gewisse Ironie ebenso wie absolute Tragik anhaftet. Ewig scheint der vermeintliche Schläger nach einer Zärtlichkeit zu trachten, die vielleicht für immer unerreichbar bleibt.


Vergissmeinnicht / Holzstock, Mullbinde, Süßwasserperlen, Bleistift / 2021/ 62 x 5 x 3 cm 

Almosen


Almosen / englische Herren - Melone, Damenslip / 2021 / 30 x 25 cm 

Pelé

Pelé dessen derbes Leder von weißer Seide beschützt, sanft oder unabwendbar zusammengehalten oder verborgen wird, sucht zunächst nach seiner Natur. Getretenes Leder wird hier selbst zu Haut: In seiner obersten Schicht mit blauem Chirurgenfaden zusammengehalten. Es entsteht die platonische Idee einer nunmehr gefühlvollen Intelligenz: Mit etwas Distanz betrachtet glänzt ‚Pelé‘, bei intimerer Betrachtung offenbart er zugleich Unvollkommenheit und Wille zur Vollendung. Ein derber Nukleus, einst gestrafft und zu einer klaren Aufgabe bestimmt, jetzt in seinem Wesen durch eine weibliche Instanz gehindert und damit vielleicht kuriert, zumindest verändert. Anna Naus ‚Pelé‘ – die ewige Kugel, der geschälte, mutierende, ungewisse, verwundbare oder verwundete, mit kratzigen Nähten instand gehaltene und im Grunde wohlwollend geflickte Planet – hält uns den Spiegel vor.


Pelé / Lederfußball, Wildseide, med. Wundnaht / 2022 / 20 x 20 cm 

Raumansichten / Galerie xpon-art / Anna Nau / Juli 2022
Fotografien ©Helge Mundt